Fotografie und Musik
Hier treffen zwei Lebenselexiere aufeinander. In meinen Kindertagen, den Endfünzigern, war Singen etwas Alltägliches. Während Autofahrten, im Unterricht, in der Kirche, beim Spazierengehen, beim Spielen, ja sogar bei Tisch und selbstverständlich das "Gute-Nacht-Lied" waren mir liebe Gewohntheiten. Singen machte das Leben fröhlicher. Wir dachten uns selbst neue Lieder aus oder texteten andere um - nicht immer zum Wohlgefallen unseres Umfeldes. Mit der Schule begann auch gleich die stimmliche Schulung im Kinderchor. Wir hatten einen absolut tollen Lehrer, Herrn Felder. Er steckte uns mit seiner Liebe zur Musik derart an, dass wir die vier Übungsnachmittage pro Woche kaum abwarten konnten. Ziel war es, im großen Chor, zusammen mit ganz ganz vielen Erwachsenen mitsingen zu dürfen. Ein Ziel, das ich nach zwei Jahren erreicht hatte. Mächtig stolz darauf trellerte ich nicht nur in der heimischen Stadthalle, sondern in etlichen Großstädten vor tausenden von Zuhörern. Als wir dann in unseren schicken Trachten auch noch im Fernsehen auftreten durften, wäre ich beinahe geplatzt vor Stolz.
Nach einem Wechsel der Schule und der Stimmlage entdeckte ich das Gospelsingen (was ich auch heute noch gerne aktiv tue) für mich. "Mama Mahalia", so nannten wir unsere, von Gott mit Nahrung und Farbpigmenten reichlich beschenkte Chorleiterin, zeigte uns die ganze Welt schwarzer Musik von Spirituals bis Blues und Jazz.
Neue Welten taten sich für mich auf. Vor allem der Jazz zog mich in Bann und weckte meine Neugier in jeder Hinsicht. So öffnete sich mein Blickfeld für Rock 'n' Roll, Klassik und diesen "fürchterlichen" Beat, der da aus England herüber schwappte.
Diese Öffnung führte mich auch weg vom Foto knippsen zur experimentellen Fotografie. Die Grundkenntnisse für's Fotografieren brachte mir Lehrer Schweiger bei und fand in mir auch einen leidenschaftlichen Fotolaboranten. Meine Ferien verbrachte dann im damals größten Fotolabor Süddeutschlands "Allcop". Schnell musste eine tolle Kamera her, eine Edixa Elektronika TL (vollelektronisch!) für 1.100 DM nackt und ein Farblabor (Durst M 640 glaub ich) - alles durch eigene Arbeit finanziert. Damit verdiente ich schon 'mal ordentlich Geld, so dass ich mit 14 Lenzen ein Fotostudium aufnehmen konnte. In Deutschland ging dies mit diesem Alter nicht, aber in Amerika. Hier konnte jeder studieren, der bezahlte. Mit 18 konnte ich an der "Famous Photographer School New York" dann auch meinen Abschluss machen. Das Ganze hatte ich gegenüber meinen Eltern natürlich als "Brieffreundschaft" getarnt, da sie mir diese Spinnerei niemals hätten durchgehen lassen. Dies stellte sich bei der Abitursfeier, als ich mit meiner Lüge aufflog, jedoch als Trugschluss heraus. Bei der Vorstellung des "Diplomabiturienten "bestrafte" mich meine Mutter, zu meinem großen Erstaunen, mit einem wohlwissenden und leicht stolzen Blick.
Doch wieder ein paar Jahre zurück in der Zeitrechnung. Einige "Große", so wurden die älteren Schüler von uns hochachtungsvoll genannt, hatten ein Jugendzentrum, das "Teehaus" eröffnet. Haschischhöhle wurde es von den Erwachsenen genannt, was ich zuerst als wohl behütetes Söhnchen gar nicht verstand. Aber diese Lokalität zog mich in den Bann, da dort jedes Wochenende irgendwelche wahnsinnig tollen Bands auftraten. Die musste ich natürlich fotografieren und die Musik hören. Es war der Wahnsinn! Um keinen Eintritt zahlen zu müssen, heuerte ich bei Mogli, dem halb marokkanischen Kneipenwirt, als Toaster an - Toast Hawai, bis zu 500 Stück am Abend. Naja, aber die Bands. Da kamen Typen, irre, Al Gromer Khan, Skid Row, Brian Auger, Beggars Opera, Mike Fleetwood und viele andere, die später richtig berühmt wurden. Und ich saß da als Knirps mit all diesen Giganten gemeinsam am Tisch. Wir aßen zusammen, wir plauderten und ich stellte unaufhörlich Fragen - auch was das für ein weisses Zeug sei, das sie da schnupften - bis dahin kannte ich nur braunen Schnupftabak.
Der Entschluss stand fest, ich musste nach England. Geld wollte ich natürlich nicht verplempern, so überredete ich meine Eltern, eine Ferienschule in England besuchen zu dürfen. Parallel dazu hatte ich gerade "Take five" von Dave Bruback auf meinem selbst gebastelten Mittelwellenradio gehört und war begeistert. Bei uns gab es diese Platte nirgendwo, aber ich musste sie unbedingt haben. Das wollte ich dann auch gleich in England durchziehen, zumal ich die Scheibe auch gleich mehreren Freunden mitbringen sollte. Bournemouth, Südküste England 1970 brachte mich fast um den Verstand. Auf dem Weg zum "Isle of Wight Festival" spielten fast alle modernen Musiker für kleines Geld in Bournemouth auf, und ich mittendrin - Procol Harum, Miles Davis, Ten Years After, Emerson, Lake and Palmer, The Doors, The Who, Kris Kristofferson, Free, Donovan, The Moody Blues, Jethro Tull, Jimi Hendrix, Joan Baez, Leonard Cohen - ich war besoffen vor Glück. Zwischendurch hatte ich auch noch heraus gefunden, wer "Take Five" in England vertrieb. Auf nach London, in ein Plattenstudio, wo die Scheibe so billig war, dass ich gleich 3000 Stück kaufte, und wie verdammt geil, Ossi Osbourne von Black Sabbath, den Vater des Heavy-Metal, kennen lernen durfte. Es war wie im Traum. Nach meiner Rückkkehr vertickte ich meine Singles innerhalb eines Monates, natürlich mit steuerfreiem Gewinn.
Während meines Studiums an der Folkwang in Essen (damals noch in der alten, wunderschönen Abtei in Essen-Werden), lernte ich viele weltberühmte Jazzer in meiner Lieblingskneipe kennen. Tanz und Musik waren auch noch Fakultäten an der Schule. Musik entwickelte sich zum echten Lebensbegleiter für mich. Ich versuchte sogar Gitarre zu lernen, was mir dieses dumme Stück Holz echt übel nahm und verstummte. Auch in meinen anderen Studienorten (München und Düsseldorf) war ich vermutlich öfter in Musikkneipen als in den Hörsälen anzutreffen.
Doch dann begann der brutale Ernst des Lebens und ich musste eine inzwischen vierköpfige Familie ernähren. Musik und Fotografie wurden zu meinem Rückzugsgebiet in harten Zeiten und hielten mich am Leben. Als ich aber 1998 in Freising mit einem Freund das "Netz 1" gründete, bekam das Leben wieder Fahrt. Für dieses, vermutlich erste Presse-Onlineportal in Deutschland war ich wieder ständig unterwegs, natürlich auch von Bühne zu Bühne. Und es war für mich die Erfüllung nicht gewagter Träume, Mister Dave Bruback himself! Ich durfte ihn live hören und sehen. So muss LSD, Marihuana und Opium zusammen als Überdosis sein, ich war nicht mehr unter den Lebenden. Nebenbei erwähnt, ich hatte nicht ein einziges Bild im Kasten - das ist wahre Kunst! Der Virus der Musik war wieder voll in mir ausgebrochen.
Auch nach meinem Umzug in den hohen Norden war kein Festival mehr vor mir sicher. Hard Rock, Metal, aber auch Top 40, Torfrock, Fury und auch Bekannte aus alten Zeiten, wie TenYearsAfter fing ich mit abertausenden von Fotos (inzwischen natürlich digital) ein. Sogar meine Nachbarn und deren Kinder hatten eigene Bands. Und auch heute noch, wenn es meine unfallgeschädigte Gesundheit zulässt, findet man mich gerne bei Konzerten oder offenen Bühnen. Live goes on! Ja noch mehr, zusammen mit meinen Kumpels von den "freundlichen Gastgebern im Weserbergland" darf ich Shanty- und Rockkonzerte organisieren.
Dies alles ist natürlich nur eine Kurzfassung. So kommen hier meine Leidenschaft aus politisch revolutionärn Zeiten zu kritischen Liedern wie Degenhardt, Arik Brauer etc. definitiv zu kurz. Ebenso fehlen auch Schobert und Black, Edvard Grieg, Klaus Doldinger, Pink Floyd, Nina Hagen, Klaus Schulze, Brel, El Cadiz, Jan Garbarek, Rashan Roland Kirk und viele viele andere - kurz viel Verschiedenes, Hauptsache richtig gut.
Das Leben ist ein einziger Orgasmus!